Exkursion Nahrungswälder

Exkursion zu Nahrungswäldern: Organisiertes Chaos mit großer Biodiversität und breitem kulinarischen Ertrag

Am 2. Mai 2024 bot die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Nordrhein-Westfalen e.V. im Rahmen des Projekts „Bäuerliche Agroforste“, das durch die Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen gefördert wird, eine Exkursion zu den Nahrungswäldern in Schijndel und Groesbeek in den Niederlanden an. Unser Agroforst Reallabor Team und Studierende nutzten die Gelegenheit, tief in die Welt der Nahrungswälder einzutauchen und mehr über Nahrungswälder als landwirtschaftliches Anbausystem mit unterschiedlichsten Anbaustrukturen von mehrjährigen Kulturen zu erfahren. Auch Vertreter der Stadt Kleve aus den Bereichen „Klimaschutz, Umwelt und Nachhaltigkeit“ und „Grün-, Umwelt- und Landschaftsplanung“ sowie Landwirt*innen und weitere Interessierte nahmen an der Exkursion teil. Wouter van Eck, Pionier der Nahrungswaldentwicklung in den Niederlanden und Mitgründer der besuchten Nahrungswälder, führte durch den Tag.

Das Konzept des Nahrungswaldes

In einem Nahrungswald werden verschiedene essbare Pflanzenarten in mehreren Vegetationsschichten angebaut und – bis auf die Ernte – weitestgehend sich selbst überlassen. Jeder Nahrungswald ist einzigartig, da er an die spezifischen Bedingungen der jeweiligen Fläche angepasst sind. In einem Nahrungswald koexistieren zahlreiche Pflanzen- und Tierarten, die zusammen wachsen und wirken.

Um auf einem leeren Acker einen Nahrungswald zu etablieren, werden zunächst schnell wachsende, heimische Bäume und Hecken gepflanzt, die als Windschutz und Schattenspender fungieren. Nach und nach werden dann in Reihen die produktiven, essbaren Pflanzen gepflanzt. Hierzu zählen etwa verschiedene Nussbäume wie Haselnuss und Walnuss, Beeren, Früchte wie Äpfel und Birnen und Kräuter. Auch wenn ein Nahrungswald für Außenstehende chaotisch wirken kann, liegt jedem Nahrungswald ein detailliertes Konzept zugrunde.

Das Konzept der Nahrungswälder verzichtet gänzlich Dünger, schwere Maschinen und Pestizide. Stattdessen setzt es auf Selbstregulierung und die natürliche Balance. Die Regel lautet: So wenig wie möglich eingreifen. Wild wachsende Pflanzen werden nicht als Problem gesehen, solange sie die angebauten Pflanzen nicht beeinträchtigen. Diese Vorgehensweise führt zu einer äußerst vielfältigen und widerstandsfähigen landwirtschaftlichen Nutzfläche.

Nahrungswälder stärken die Biodiversität und binden viel CO2. Das Heranwachsen eines Nahrungswaldes bis zur Ernte kann je nach angepflanzten Spezies einige Jahre oder Jahrzehnte dauern. Der größte Aufwand für Landwirt*innen liegt nach Planung und Anpflanzung in der Ernte. Langfristig gesehen sollen Nahrungswälder profitabel sein.

Exkursion zu den niederländischen Nahrungswäldern in Schijndel und Groesbeek

Die Exkursion begann mit der Erkundung des Nahrungswaldes in Schijndel, der mit 20 Hektar der größte seiner Art in den Niederlanden ist. Er ist eine Initiative der Stiftung „Voedselbosbouw Nederland“ in Zusammenarbeit mit „Groen Ontwikkelfonds Brabant“ (Provinz Brabant) und der HAS Green Academy (Hochschule). Mit erst knapp fünf Jahren Alter gilt der Wald noch als „Baby“. Wouter van Eck erklärte anhand des jungen Waldes, worauf es bei der Planung und beim Anpflanzen ankommt. So sollte man die Perspektive von Insekten einnehmen: Was blüht zu welcher Zeit? Finden Insekten Nektar, wenn sie im Frühjahr ausfliegen? Und auch das unternehmerische Ziel sollte klar definiert sein: Was soll später geerntet und verkauft werden? Zudem ist es essenziell, dass Pflanzen in verschiedenen Vegetationsschichten angepflanzt werden. Um die Ernte zu erleichtern, werden die Pflanzen in Reihen angepflanzt. Mehrere Reihen bilden einen Bereich des Waldes, welcher bis zu 60 Spezies beherbergt.

Beim Pflanzen des Nahrungswaldes in Schijndel haben viele Menschen aus der Nachbarschaft geholfen. Dann kommt es auf gute Organisation an: Die Pflanzen werden nur einmal gepflanzt, also sollte das Pflanzen ordentlich und sorgsam erfolgen. Neben dem praktischen Nutzen, gibt es auch einen kulturellen Mehrwert der gemeinsamen Pflanzaktion: Die Beteiligten erinnern sich genau, was sie gepflanzt haben und bauen eine Beziehung zur Landschaft auf, so Wouter van Eck.

In Groesbeek kam die Exkursionsgruppe zu einem Vortrag von Wouter van Eck zusammen, der mit Bildern und Fakten das Konzept Nahrungswald weiter beleuchtete. Frauke Ganswind, Projektleiterin des AbL-Projekts „Bäuerliche Agroforste“, nutzte das Zusammenkommen im Gemeindehaus Groesbeek, um die AbL und das Projekt vorzustellen. „Wir sind überzeugt, dass Agroforstwirtschaft eine zukunftsfähige Landnutzungsform ist, die einen wichtigen Beitrag leisten kann, um die Klimaresilienz von Agrarflächen zu steigern und die Agrobiodiversität zu fördern“, so Ganswind.

 

Die zweite Expedition des Tages führte zum 14 Jahre alten Nahrungswald Ketelbroek. Als einer der ältesten und vielfältigsten Nahrungswälder der Niederlande, bot er die Möglichkeit verschiedenste Pflanzenarten hautnah zu erleben und mit allen Sinnen wahrzunehmen. Nur ein schmaler Weg führt durch den Nahrungswald. Die Wege zu den einzelnen Pflanzen werden erst zur Ernte freigemacht und ansonsten sich selbst überlassen. So wird der Einfluss auf die Pflanzen, Tiere und vor allem den Boden auf ein Minimum reduziert. Wouter van Eck zieht ein positives Fazit zur bisherigen Entwicklung des Nahrungswaldes Ketelbroek: Seit Aufbau des Nahrungswaldes 2009 wurde nicht gedüngt, doch die Ernte wird jedes Jahr üppiger.

Nahrungswälder: Eine Option für Landwirt*innen am Niederrhein?

Während in den Niederlanden bereits rund 230 solcher Nahrungswälder existieren, ist ihr Anblick auf deutscher Seite eher selten. Das liegt zum einen an den regulatorischen Rahmenbedingungen: In den Niederlanden wird der Aufbau eines Nahrungswaldes subventioniert, in Deutschland bislang nicht. Zum anderen ist die Etablierung eines Nahrungswaldes komplex und stellt für Landwirt*innen ein Risiko dar: Es fließt viel Geld und Aufwand in die Planung und Anpflanzung des Nahrungswaldes. Die tatsächliche Ernte, wodurch Einkommen erzielt werden kann, beginnt erst Jahre später. Die Produktion des Systems steigert sich jedoch exponentiell und erzeugt viele Jahre lang unter geringem Pflegeaufwand weiter, laut Wouter van Eck. Somit könnte ein Nahrungswald auch für Landwirt*innen am Niederrhein ein sinnvolles Investment in eine diverse Produktpalette und gleichzeitige Biodiversität sein. Ein Besuch dieser einmaligen landwirtschaftlichen Flächen lohnt sich auf jeden Fall.

Fazit

Das Fazit unseres Agroforst Reallabor Teams lautet: Der Nahrungswald ist ein spannendes landwirtschaftliches Konzept, weil es ein komplettes Umdenken der Landwirtschaft erfordert. Solche Systeme können auf den ersten Blick überfordern, da sie komplex sind. Gleichzeitig ist die Komplexität des Systems und die Erzeugung von Lebensmitteln mit ausdrücklich minimalem Eingriff des/der Landwirt*in sehr interessant, so Projektmitglied Jannis Menne. Statt eine Ackerfläche komplett in einen Nahrungswald zu überführen, können zunächst auch einzelne Konzeptelemente übertragen werden, wie etwa Hecken und Sträucher als Windschutz.

 

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