Ein ‚dufter‘ Agroforst – Unser neuer Kooperationspartner Dercks Gartenbau
Woran denkt Ihr bei Lavendel? Wir sind in Gedanken sofort in der Provence. Aber auch hier am Niederrhein gibt es in kleinerem Maße Lavendelfelder, zum Beispiel in Geldern-Walbeck bei Dercks Gartenbau. Seit fast 50 Jahren beschäftigt sich der Familienbetrieb mit der Aufzucht von Zierpflanzen. Heute wachsen in den Gewächshäusern und auf Freiflächen neben Lavendel, auch Callunen, Frühjahrs- und Sommerstauden.
Nachhaltigkeit in der Produktion spielt für Familie Dercks eine große Rolle. So setzt der Gartenbaubetrieb seit 8 Jahren Exaktgießwagen Prototypen im Freilandtopfpflanzenbau ein. Neben großen Ersparnissen bei der kostbaren Ressource Wasser, wird eine präzise Düngeverteilung erzielt und dadurch Einträge in das Grundwasser verringert. Die Idee dazu stammt von Seniorchef Peter Dercks, die Umsetzung erfolgte dank seiner persönlichen Überzeugung.
Agroforst im Gartenbau
Es lag der Gedanke nahe, Peter Dercks einzuladen, auch in Zukunft die Transformation des Niederrheins mitzugestalten. Seit diesem Frühjahr ist Dercks Gartenbau Kooperationspartner unseres Transformationsprojekts Agroforst Reallabor. „Der Anspruch von Agroforstsystemen ist die Integration von Gehölzen in landwirtschaftlichen Produktionssystemen“, erläutert Samuel Lemmen, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Agroforst Reallabor tätig ist.
„Auch Gartenbau ist Landwirtschaft, wenn auch keine klassische Feldwirtschaft. Hier am Niederrhein hat er eine große Bedeutung. Daher bietet es sich gerade in dieser Region an, exemplarisch Agroforst im Topfpflanzenbau, wissenschaftlich begleitet, umzusetzen. Und zu ermitteln, wie Gehölze in moderne Produktionssysteme integriert werden können. In vielen Produktionssystemen herrscht eine geringe Strukturvielfalt. Je nach Betriebsform ist die Umsetzung eines Agroforsts im Topfpflanzenbau sehr unterschiedlich. Umso mehr freuen wir uns, dass wir mit Herrn Dercks einen Partner gefunden haben, der den erforderlichen Wandel des Gartenbaus mit viel Idealismus und Enthusiasmus für die Umwelt mitdenkt und mitgeht.“
Spezialfall Gartenbau
Die Freilandflächen bei Dercks Gartenbau sind in sich geschlossene Produktionsflächen. Über einer Schicht aus Lavasteinen, die das Wasser speichern, liegt eine Folie. Die Flächen sind akribisch durchgeplant. Baumreihen kurzfristig in die Produktion zu pflanzen ist ein Ding der Unmöglichkeit. Beispielsweise müssen die Bewässerungsanlagen ungehindert fahren können. Zudem können, anders als bei der Landwirtschaft, laubabwerfende Bäume in direkter Nachbarschaft der Pflanzenkulturen unerwünscht sein. Im klassischen Agroforst soll Laub den Boden verbessern, im Topfpflanzenbau jedoch darf kein Laub auf die schon fast sterilen Produktionsflächen fallen. Sonst droht zum Beispiel Pilzbefall und die Produkte wären nicht mehr vermarktbar. Zusätzlich kann vor allem bei Wind Sameneintrag zu erheblichem Mehraufwand führen, da die einzelnen Topfpflanzen von diesen befreit werden müssen. Wo also ist der passende Standort für das zu pflanzende Gehölz?
Regenwassermanagement
Regenwasser und auch das überschüssige Wasser aus der Pflanzenbewässerung versickern bei Dercks Gartenbau in Versickerungsmulden neben den Freiflächen. Als Ausgleich für versiegelte Flächen muss jeder landwirtschaftliche Betrieb Maßnahmen zur Regenwasserversickerung durchführen. Familie Dercks hat mehr Versickerungsmulden geschaffen als notwendig, vor allem wegen schlechter Erfahrungen aus vergangenen Starkregenereignissen. Derzeit sind diese mit Rasen und Beikräutern begrünt. Eine Bepflanzung mit Gehölzen ist laut dem Regelwerk der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL), nicht vorgesehen.
Für Samuel Lemmen unverständlich:
„Bäume in Versickerungsmulden können für eine schnellere Versickerung sorgen, da der Boden durch die Baumwurzeln aufgelockert wird. Zusätzlich kann ein Filterungsnutzen entstehen, wobei überschüssiges Wasser aus der Bewässerung, das zum Teil auch Düngemittel enthält, von den Bäumen und weiteren Pflanzen aufgenommen wird. Für ihn und Peter Dercks war klar: Die Versickerungsmulden sind ideal für ein Agroforst Pilotprojekt.“
Gemeinsam mit Regina Bach, die für unser Projekt die Schnittstelle zwischen Hochschule Rhein-Waal und Agrobusiness Niederrhein e.V. ist, machten sie sich schlau, tauschten sich aus mit Stakeholdern wie der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen und Ing. Barbara Dröppelmann vom Planungsbüro für Landschaft und Umwelt aus Geldern, schrieben Anträge und dürfen sich nun freuen: Die Untere Wasserbehörde des Kreises Kleve hat eine Freigabe für die Nutzung einer Versickerungsmulde für die Schaffung eines Agroforstsystems erteilt. Voraussetzung ist die wissenschaftliche Begleitung durch Forschende der HSRW sowie der enge Austausch zu gewonnen Erkenntnissen. Die gute Zusammenarbeit zwischen dem Agroforst Reallabor und Herrn Dercks wird fortgeführt: Über die Projektlaufzeit hinweg sollen beispielsweise Bodenproben genommen, Versickerungstests durchgeführt und Filterungsnutzen getestet werden.
Oliven und Lavendel
Peter Dercks möchte noch in diesem Jahr die Baumstreifen anlegen. Er entschied sich für Olivenbäume. Die immergrüne Pflanze wirft ihre mehrere Jahre alten Blätter jahreszeitenunabhängig ab. Die silbergrauen Laubblätter sind im Vergleich zum Laub anderer Bäume klein. Zudem ist die Olive ein Tiefwurzler. Gepflanzt werden die rund 30 Bäume mit einem Abstand von etwa fünf Metern zueinander. Um mehr Lichteinfall zu ermöglichen, werden die Olivenbäume in den Reihen versetzt gepflanzt.
Auf den circa fünf Meter breiten Streifen zwischen den Baumreihen soll Lavendel wachsen und die mediterrane Erscheinung des Agroforsts ergänzen. Die blau-violette Blüten dienen als belebendes Element und der Insektenvielfalt. Denn zu der Realität im Gartenbau gehört auch, dass die Zierpflanzen bereits vor ihrer Blüte in den Verkauf gehen. Die eingangs erwähnten blühenden Lavendelfelder gibt es somit eigentlich bisher gar nicht.
Im Agroforst von Dercks Gartenbau kann man sie in den nächsten Jahren hoffentlich in kleinem Maßstab erleben. Ein kleiner wirtschaftlicher Nutzen, der sich aus dem Agroforst ergeben kann, ist das Schneiden von Stecklingen aus den Lavendelpflanzen. Und einen ganz praktischen Nutzen hat der zukünftige Agroforst auch: Er soll den vorherrschenden trockenen Ostwind ein wenig auffangen.
Regina Bach und Samuel Lemmen sehen die Zusammenarbeit auch als Modellcharakter. Ihre Hoffnung:
„Vielleicht weicht man in einigen Jahren von der Überzeugung ab, dass Gehölze und Versickerungsmulden nicht miteinander einhergehen können. Und so für mehr Diversität und Naturnähe auch in produzierenden Betrieben gesorgt werden kann.“
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