
Die Stadt als Ort für nachhaltige Bildung am Beispiel Aalen
Ist Dir die „Lokale Agenda 21“ ein Begriff? Und kennst Du die Stadt Aalen? Die Besucher*innen der Mittwochsakademie am Campus Kleve der Hochschule Rhein-Waal (HSRW) haben einen umfassenden Einblick in die Nachhaltigkeitsbestrebungen der Stadt im Osten Baden-Württembergs erhalten. Prof. Dr. Ulrich Holzbaur, in der Woche vom 07. bis 11. Oktober zu Gast als Fellow im Projekt TransRegINT, also Gastwissenschaftler, an der HSRW, verknüpfte in seinem Vortrag „Die Stadt als Ort für nachhaltige Bildung“ geschickt Theorie und Praxis mittels anschaulicher Beispiele aus dem schwäbischen Aalen. Dort begleitet er aktiv das Aktionsprogramm „Lokale Agenda 21“.
Fellowwoche an der HSRW
Unser Kompetenz-Hub begrüßte in der Woche vom 07. bis 11. Oktober 2024 Prof. Dr. Ulrich Holzbaur von der Hochschule Aalen und dem Steinbeis Transferzentrum Nachhaltigkeit & Management als Fellow an der HSRW. In dieser Funktion unterstützt er die Wisssenschaftler*innen der HSRW im Bereich Nachhaltigkeit, um so die Transformation zu mehr Nachhaltigkeit in der Lehre voranzutreiben. Neben Lehrtandems mit Professor*innen und Lehrenden, legte er den Fokus bewusst auch auf ein Informieren und Einbeziehen der Öffentlichkeit im Rahmen der Mittwochsakademie.
Nachhaltigkeitsdefinition
Zu Beginn definierte Prof. Dr. Holzbaur den Begriff Nachhaltigkeit. Er bezog sich auf die sogenannte Brundtland-Definition, benannt nach der norwegischen Politikerin Gro Harlem Brundtland, aus dem Jahr 1987: „Nachhaltige Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generation befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“
Die drei Säulen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Soziales und Ökonomie – stellte er dar als eine Pyramide; ähnlich der Maslowschen Bedürfnispyramide. Die menschlichen Bedürfnisse gliederte er hierarchisch aufbauend auf dem Grundbedürfnis Ökologie, dem gesamtgesellschaftlichen System und schließlich der Ökonomie als Wertschöpfung.
Agenda 21
Das Aktionsprogramm hat seinen Ursprung in der Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro im Jahr 1992. Es zielt darauf ab, auf globaler, nationaler, regionaler und lokaler Ebene eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Für die Erarbeitung einer lokalen Agenda 21 benötigen Städte und Gemeinden eine breite und motivierte Beteiligung möglichst vieler Akteur*innen. Dies ist, wie Prof. Dr. Holzbaur anhand vieler Beispiele verdeutlichte, in Aalen besonders gelungen. Der Fokus seiner Ausführungen lag auf der Kooperation der Stadt Aalen und der Gesellschaft mit der Hochschule Aalen.
Bildung für nachhaltige Entwicklung
Wie nun wurde die Hochschule Aalen in die Kooperation einbezogen? Prof. Dr. Holzbaur hat viele Projekte aus der Hochschule heraus als begleitende Maßnahmen zu Vorlesungen initiiert, wie etwa den Guide „Aalen Barrierefrei“, die Erstellung eines Infobanners an einem Aalener Aussichtspunkt, oder die erstmalige Durchführung des „Tag der Regionen“, einem Aktionstag mit vielen Ausstellern von regional produzierten Produkten, Gegenständen und Dienstleistungen, in Aalen sowie die Erstellung eines Handbuchs für die Folgejahre. Diese Projekte dienten jeweils als Katalysatoren: Die Studierenden wirkten als Initialzündung und dokumentierten die Prozesse, die eigentlichen Projekte wurden von Politik, Wirtschaft und/oder Gesellschaft weitergetragen. Der Vorteil dieser Kooperation: Die studentischen Teams erarbeiteten Konzepte innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums, was sonst an Zeitmangel und dem „Man-sollte-mal-Effekt“, so Prof. Dr. Holzbaur, scheitern würde. Es profitiert letztlich die Zivilgesellschaft.
Zudem profitierten auch die Studierenden von diesen Kooperationen, denn sie müssen sich in den Projekten mit Nachhaltigkeit in der Realität anstelle von Theorie beschäftigen. Diese durchaus haptischen Erfahrungen und das unmittelbare Erleben würden ganz anders in den Köpfen der Beteiligten verankert, führte Prof. Dr. Holzbaur aus.
Die Zusammenarbeit von Stadt, Gesellschaft und Hochschule dient auch als Reallabor, wies er auf einen weiteren Vorteil hin. Forschenden werde praktisch ein Labor für Beobachtungen gegeben. Er nutzte in diesem Zusammenhang auch den Begriff „Transformationslab“, denn die Forschenden beobachten, greifen ein und stoßen Transformation an.
Erfahrungen
Für eine erfolgreiche Umsetzung der lokalen Agenda 21 bedarf es der Verbindung von Akteur*innen und dem Austausch. Ohne ein zivilgesellschaftliches Engagement ist ein nachhaltiger Wandel nicht erreichbar. Alleine auf sich gestellt, tue sich die Zivilgesellschaft jedoch oft schwer, da häufig die Erfahrung gemacht werde, „dass gegen Wände gerannt wird.“ Prof. Dr. Holzbaur mahnte: „Das Ehrenamt kann nicht alles stemmen!“ Daher müssten sich die verschiedenen Akteur*innen einlassen auf die Zusammenarbeit. „Unsere Kooperation trägt gute Früchte. Jede*r bringt ein, was er/sie hat, ob Räume, Manpower oder Kenntnisse“, so Prof. Dr. Holzbaur. Damit würden Synergieeffekte erzielt. „Das Vertrauen kommt durch die Projekte, nicht von heute auf morgen“, warb er für einen langen Atem. Auch er habe unzählige Klinken putzen müssen.
Wichtig sei die Schaffung eines Leitungsteams aus Aktiven. In Aalen wurde sogar ein Agendaparlament berufen. Die einzelnen Agendagruppen sollten autonom arbeiten und Ziele setzen. Prof. Dr. Holzbaur betonte, dass sie nicht nur fordern, sondern selbst aktiv werden und einen Beitrag leisten müssen.
Zum Ende seines Vortrags entspann sich eine lebhafte Diskussion, in der Vergleiche zwischen Kleve und Aalen gezogen wurden und in Teilen ein vermeintliches Desinteresse in der Klever Bevölkerung festgestellt wurde. Als Gegenmittel empfahl Prof. Dr. Holzbaur eine Auflistung aller Gruppen, die sich im Sinne der Nachhaltigkeit engagieren, von der Kirche über Imker*innen bis zum Sportverein. „Sie werden überrascht sein, wie viel bürgerliches Engagement in Kleve zu finden ist“, schloss er seinen Vortrag.
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